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Hannes mit Enkelin


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Gedenkveranstaltung an die Pogrome vom 9. November

Die WAZ Wattenscheid berichtete von der Veranstaltung.


Programm der Öffentlichen Gedenkveranstaltung in Wattenscheid am 9. November 2016 an den 3 Stelen auf dem Nivellesplatz am Standort der ehemaligen Synagoge

Nach der Kranzniederlegung :

1. Die Moorsoldaten – an der Gitarre: Bernd Albers, Vorsitzender des Gemeinderates der Probstgemeinde St. Gertrud; Gesang: Christel Sehrig

2. Begrüßung : Felix Oekentorp, Vorsitzender Kuratorium Stelen der Erinnerung e.V.

3. Moderation: Christoph Nitsch, stv. Vorsitzender Kuratorium Stelen der Erinnerung e.V

4. Rede: Christian Leye, Landessprecher der Partei DIE LINKE NRW, kurzfristig eingesprungen als Ersatz für Sevim Dagdelen, MdB DIE LINKE, Beauftragte der Fraktion für Migration und Integration

5. Lied: Ilja Berin, Mitglied der jüdischen Gemeinde Bochum/Herne/Hattingen

6. Gedicht "Poem" von Selma Meerbaum-Eisinger. Vorgetragen von Alina Röllke

7. Rede: Felix Lipski, Vorsitzender des Clubs „Stern der Holocaust-Überlebenden“, „Kinder im Ghetto“, Felix Lipski verbrachte seine Kindheit im Ghetto von Minsk

8. Gedicht

9. Verlesung der Liste der 87 Wattenscheider Bürger jüdischen Glaubens – Opfer der Shoa: Nadine Wagner, Burgis Bienert und Tobias Damjanov

10. Kaddisch-Totengebet: Mosche Dajchin, Kantor



Das Redemanuskript von Sevim Dagdelen, MdB, vorgetragen vom Landessprecher der Partei DIE LINKE NRW, Christian Leye

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen,

die Gewalt der Pogrome vom 7. bis 13. November 1938 fand am 9. November ihren vorläufigen Höhepunkt. Überall in Deutschland brannten Synagogen, jüdische Geschäfte und Wohnungen wurden überfallen, demoliert und geplündert. Etwa 30.000 Personen wurden verhaftet und in die Konzentrationslager Buchenwald, Dachau und Sachsenhausen verschleppt.

Die Pogrome stellten eine weitere, entscheidende Radikalisierung der antisemitischen Politik des Nazi-Regimes dar. Bis dahin hatten die Nazis Jüdinnen und Juden Schritt für Schritt aus der Gesellschaft ausgegrenzt. Nach dem Reichspogrom 1938 wurde die antisemitische Politik immer gewalttätiger und gipfelte letztlich in dem Versuch, systematisch alle Jüdinnen und Juden Europas zu vernichten. Bis 1945 hatten die Nazis sechs Millionen ermordet.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen,

Antisemitismus, Rassismus und Nationalismus gehören in Deutschland keineswegs der Vergangenheit an.

- Synagogen und jüdische Friedhöfe werden geschändet, Jüdinnen und Juden auf offener Straße beleidigt und auch tätlich angegriffen.

- Das Neonazinetzwerk „NSU“ mordete sich unter den Augen von Verfassungsschutz und Polizei durch Deutschland.

- Flüchtlinge werden durch rassistische Sondergesetze nach wie vor zu Menschen zweiter Klasse gemacht.

Solidarität mit den Verfolgten stieß damals wie heute auf wenig Gegenliebe. Ein Skandal ist zum Beispiel der Umgang der NRW-Justiz mit dem Sozialrichter Jan-Robert von Renesse. Sein Vergehen? Er hat ehemaligen jüdischen Ghettoarbeitern zu Rentenzahlungen verholfen. Entgegen der geltenden Praxis nach Aktenlage zu entscheiden. Danach mussten Holocaustüberlebende anhand von Fragebögen beweisen, dass sie freiwillig gearbeitet hatten und dafür eine Entlohnung bekamen - und wenn es nur ein Stück Brot war. Nur die wenigsten konnten das und erhielten deshalb keine Rente. Wenn von Renesse auch letztlich mit einer Petition dazu beitrug, dass der Bundestag 2014 ein verbessertes Ghettorentengesetz zu verabschieden; seine eigene Karriere hat er darüber ruiniert und muss sich vor einem Dienstgericht verantworten.

Die aktuellen Übergriffe auf Flüchtlinge und engagierte Helfer sowie der Umgang damit vor Ort zeigten, dass aus dem NSU-Skandal bei den Sicherheitsbehörden längst keine Konsequenzen gezogen wurden. Das zeigt nicht zuletzt die jahrelange Ignoranz der sogenannten „Reichsbürger“ unter anderem bei der Polizei. Erst der Mord an einem Polizisten hat hier für ein entsprechendes Handeln gesorgt.

Die politischen Konsequenzen der Mordserie bestehen eher in einer Belohnung des Verfassungsschutzes statt in einer Absage an die Unterstützung von Neonazis. So bleibt das Prinzip von V-Leuten mit weitreichendem Quellenschutz unangetastet und die Befugnisse des VS werden ausgebaut

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen,

Wir brauchen ein breites Bündnis gegen Antisemitismus, Rassismus, Antiziganismus und Neonazismus. Wir müssen uns dem Rechtsruck in der Gesellschaft und vor allem auch dem Hass gegen Jüdinnen und Juden, Flüchtlinge und Roma entgegenstellen.

Richtig ist, wir müssen uns dem rassistischen Bodensatz der deutschen Gesellschaft mit Pegida und AfD entgegenstellen. Wir müssen uns aber auch jenen entgegenstellen, die ihnen Schützenhilfe gaben und geben. Es waren und sind die Regierungsparteien, die ähnlich wie in den frühen 90er-Jahren mit Verschärfungen des ohnehin ausgehöhlten Asylrechts reagieren. Sie sind es, die Staaten des ehemaligen Jugoslawiens zu „sicheren Herkunftsländern” erklärt haben und damit Geflüchtete aus diesen Ländern – wie zum Beispiel vielen Roma – ein Anspruch auf Asyl absprechen.

Sie sind es, die gegen besseren Wissens Migrantinnen und Migranten als „integrationsunwillig“ und „-unfähig“ beschimpfen.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen,

„Es ist geschehen und folglich kann es wieder geschehen." Dieses Diktum des Auschwitzüberlebenden Primo Levi bleibt und ist Verpflichtung. Dem Gedenken an die Nazi-Verbrechen auch weiterhin Gehör zu verschaffen sowie Konsequenzen daraus einzufordern, bleibt die wichtigste Aufgabe für uns alle.

Für mich als Sozialistin/Kommunistin bedeutet das gerade auch, dass ein solches Bündnis nicht den Blick vor Max Horckheimers Erkenntnis versperren darf: „Wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen.“ Denn Nationalismus, Rassismus und Flüchtlingshatz werden nicht „von außen“ in die demokratisch-bürgerlichen Gesellschaften hineingetragen. Sie gehören wie Unterdrückung, Ausbeutung und Abschottung zum Wesen kapitalistischer Gesellschaften. Ohne Antikapitalismus bleibt antifaschistisches und antirassistisches Engagement immer nur eine Art Feuerwehr, die sich auf die Verteidigung angeblicher oder tatsächlicher Errungenschaften beschränkt. Aus meiner Sicht muss es aber darum gehen, die Verfasstheit dieser Gesellschaft grundlegend zu ändern, Ausbeutung und Unterdrückung zu überwinden und eine Gesellschaft zu schaffen, deren Wesen grenzenlose Solidarität und soziale Gerechtigkeit ist.


"Poem" von Selma Meerbaum-Eisinger.
Selma Meerbaum-Eisinger lebte von 1924 bis 1942 und starb im Arbeitslager Michailovka.

Ich möchte leben.

Ich möchte lachen und Lasten heben

und möchte kämpfen und lieben und hassen

und möchte den Himmel mit Händen fassen

und möchte frei sein und atmen und schrein.

Ich will nicht sterben. Nein!

Nein.


Opfer der Shoah aus Wattenscheid

entnommen dem Gedenkbuch "Opfer der Shoah aus Bochum und Wattenscheid" erschienen im Kamp Verlag, herausgegeben von
der Evangelische Stadtakademie Bochum, dem Stadtarchiv Bochum und dem Verein "Erinnern für die Zukunft"

Arensberg , Erich

Auerbach , Siegfried

Basch , Martin

Brandt , Emilie , geb. Fryda

Elkus , Hermine , geb. Rittgen

Emer , Markiel

Flatow , Bertha

Frankenhaus , Hedwig , geb. Rosenhoff

Fryda , Betty , geb. Silbermann

Fryda , Emil

Fryda , Hans

Gerson , Johanna , geb. Kaufmann

Goldblum , Lina , geb. Blum

Groß , Heinz

Groß , Hugo

Groß , Inge

Groß , Martha , geb. Spiero

Guttenberg , Ella , geb. Rosenberg

Hanauer , Else

Hartmann , Betty

Hess , Alfred

Heymann , Alfred

Hochfeld , Paula , geb. Salomon

Katzenstein , Albert

Kaufmann , Albert

Kaufmann , Elfriede

Kaufmann , Gerd

Kaufmann , Günther

Kaufmann , Irma , geb. Pollack

Liebreich , Grete , geb. Spiero

Liebreich , Julius

Liebreich , Rudi

Löwenstein , Edith , geb. Bonnin

Löwenstein , Julie

Löwy , Siegfried

Markan , Julius

Meiseles , Salomon

Mendel , Ella , geb. Kraus

Mendel , Wilhelm

Müller , Eduard

Moses , Edith

Oppenheim , Julie

Oppenheim , Rischen

Poppers , Anneliese , geb. Fryda

Röttgen , Ernst

Röttgen , Günther

Röttgen , Leo

Röttgen , Martha

Röttgen , Sara , geb. Appel

Röttgen , Siegfried

Röttgen , Werner

Rolef , Josefine

Rosemund , Emma

Rosenthal , Ernst

Rosenthal , Gustav

Rothenburg , Paula , geb. Fryda

Sänger , Edith , Guttenberg

Salomon , Emma , geb. Cohn

Salomon , Isaak

Samuelsdorf , Robert

Schacher , Mathilde , geb. Cohn

Schmelz , Fritz

Schnitzer , Bruno

Schnitzer , Hermann

Schnitzer , Moritz

Schnitzer , Rosa , geb. Kasner

Schürmann , Werner

Simon , Ida , geb. Hamm

Sondheimer , Johanna , geb. Kadden

Spiegel , Else

Spiero , Elise

Spiero , Johanna , geb. Rosenberg

Stern , Betty

van Buuren , Koort S.

Wassermann , Samuel , gen. Rosenmann

Wassermann , Rosa Ruth

Wassermann , Samuel

Wechsler , Alice , geb. Brenner

Weinthal , Amalie

Weinthal , Helene

Weinthal , Moritz

Winkelmann , Regina

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